Grossvater Jakobs Rote Fahne
Walter Mossmann Lyrics


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Da war ich in der Kinderzeit
Schon in der Minderheit
Gegen die Scheren, die mich schoren
Und die Leut', die sich verschworen
Dass ich «was Bessres» werden sollte!
Ein Mann mit glatter Zunge, fein belesen und frisiert
Der dann mit Goethes Hilfe zum Professor arriviert –
In der verdammten Suppenhuhnkultur
Ist das die feine Aufstiegstour!
Das war in meiner Kinderzeit
Wie in der Gründerzeit
Dass man mich lehrte, zu vergessen
Wie der Großvater gefressen
Mit seinem Proletenmaul!
Der alte Jakob war nun mal, so ist das leider
Ein Pfälzer und ein schäbiger Metallarbeiter –
Und so verkam sein Erbe nach und nach
Im Speicher oben unterm Dach
Und da lag eine rote Fahne
Mit der Aufschrift «Solidarität» –
Man sagte mir, sie wär so schlimm
Als wie der Rote Hahn
Der auf dem Dache kräht!

Das war in grüner Frühlingszeit
In der Erwachenszeit
Ich schielte Mädchen auf die Brüste
Dachte nachts, dass ich gern wüsste
Wie's mit dem Ziel der Liebe ist!
Da soll man tausend Meter rennen, frischfrommfröhlich sein
Die Fenster öffnen, Füße waschen und sich selbst kastei'n
Und löst doch kein Problem in der Nacht
Wenn die Blume steht in voller Pracht!
Dann kam die reife Sommerszeit
Da wär' ich gern zu zweit
Das wilde Liebesspiel zu pflegen
Mit Kathrinen hingelegen
Wo das Auge der Zucht nicht wacht!
Ich nahm ein schlaues Buch und sieben Apfelsinen
Und stieg hinauf mit meiner schönen Katharinen
Zu Jakobs Erbe oben unterm Dach!
Da fielen wir der Länge nach
Auf die alte rote Fahne
Mit der Aufschrift «Solidarität» –
Ich sage euch, wir war'n so heiß
Als wie der Rote Hahn
Der auf dem Dache kräht!

Das war in fetter Wohlstandszeit
Im braunen Notstandskleid –
Ihr konntet die Signale hören
Denn wir schrieen laut in Chören:
"Der Kaptalismus muss weg!"
Wir rannten Arm in Arm durch uns're aufgescheuchte Stadt
Wo seither die KP auch Angst vor Anarachisten hat –
Das Wasser war nass, der Knüppel so hart
Doch Kathrin küsste süß und zart!
Das war noch keine Erntezeit
Wir war'n noch nicht so weit –
Wir standen dumm vor den Fabriken
Und wir schlugen keine Brücken
Zu den Männern unterm Tor!
Da erinnerte ich wieder
Des alten Jakobs pathetische Lieder
Und auch die nackte Sprache, die er sprach
Und ich holte oben unterm Dach
Die alte rote Fahne
Mit der Aufschrift «Solidarität» –
Da schrien die braven Bürger gleich:
"Das ist der rote Hahn
Der auf dem Dache kräht!"

Jetzt hört was aus der jüngsten Zeit
Da war es höchste Zeit
Man hat mich übel abgedrängt
Ich dachte schon, ich werd' gehängt –
Die war'n auf meine Fahne scharf!
Das war'n die kleinen Bürger mit der Pfütze Kapital –
Demokraten aus der Mitte» und schon ziemlich radikal!
Ich hab' mit denen lieber nicht gerauft
Sondern die Fahne glatt verkauft –
Und da brannte die rote Fahne
Mit der Aufschrift «Solidarität»!

Jetzt aber, Genossen, werden wir mal
Nicht sentimental
Sondern lernen wir vor allen Dingen
Die Dialektik dieser schlauen Tat
Die uns nämlich mit dreißig Silberlingen
Sechs neue Fahnen eingebracht hat!
Die erste für das «Wilhelm–Reich–Institut»
Die zweite für das «Walter–Benjamin–Institut»
Die dritte für das «Spartakus–Seminar»
Die vierte für das Auslandsamt in meiner eig'nen Stadt
Und die fünfte auf das Ordinarien–Rektorat!
Aber die sechste, Genossen – verzeiht
Wird Katharinens rotes Kleid
Und sie trägt die rote Fahne
Mit der Aufschrift «Solidarität» –




Die steht ihr gut, die rote Fahne
Mit der Aufschrift «Solidarität»!

Overall Meaning

The song Grossvater Jakobs Rote Fahne by Walter Mossmann reflects on the singer's personal journey through different phases of their life, from childhood to adulthood. In the first verse, the singer expresses their frustration with the expectations placed upon them by society to become a successful and refined individual. They reject this mindset and acknowledge the importance of their grandfather's working-class roots, represented by the old red flag with the word "solidarity" written on it, which they find hidden in the attic. In the second verse, the singer reflects on their teenage years and the mixed emotions of desire and confusion that come with growing up. They acknowledge the inadequacy of traditional societal norms in dealing with these emotions, such as physical exercise, prayer, or self-flagellation. In the third verse, the singer shifts to the present time, which is characterized by a political and social struggle against capitalism and fascism. They refer to the "brown emergency outfit," a metaphor for the rise of fascism, and their involvement in the communist movement, alluding to the fact that they have grown into their grandfather's political legacy.


The song touches on several themes, including the contradictions of societal norms, the importance of family and heritage, and the struggle against societal oppression. Through the singer's journey, the song highlights the importance of staying true to one's roots and values while navigating personal growth and societal pressures.


Line by Line Meaning

Da war ich in der Kinderzeit Schon in der Minderheit Gegen die Scheren, die mich schoren Und die Leut', die sich verschworen Dass ich «was Bessres» werden sollte!
When I was a child, I was already in the minority, going against the authority figures that tried to shape me into someone 'better' - someone well-educated, well-spoken, and successful by societal standards.


Ein Mann mit glatter Zunge, fein belesen und frisiert Der dann mit Goethes Hilfe zum Professor arriviert – In der verdammten Suppenhuhnkultur Ist das die feine Aufstiegstour!
They wanted me to be a man with smooth-talking, well-read, and well-groomed who could become a professor with Goethe's help. This was considered the 'fine' path to success, but it was all part of a flawed society.


Das war in meiner Kinderzeit Wie in der Gründerzeit Dass man mich lehrte, zu vergessen Wie der Großvater gefressen Mit seinem Proletenmaul!
This attitude extended into my upbringing during a time of economic growth, where they expected me to forget about my grandfather with his 'proletarian' mouth and beliefs.


Der alte Jakob war nun mal, so ist das leider Ein Pfälzer und ein schäbiger Metallarbeiter – Und so verkam sein Erbe nach und nach Im Speicher oben unterm Dach Und da lag eine rote Fahne Mit der Aufschrift «Solidarität» – Man sagte mir, sie wär so schlimm Als wie der Rote Hahn Der auf dem Dache kräht!
My grandfather was a Pfälzer and metalworker, whose legacy was kept up in the attic. There laid a red flag with the word 'Solidarity.' I was told it was as bad as a fire on the roof.


Ich schielte Mädchen auf die Brüste Dachte nachts, dass ich gern wüsste Wie's mit dem Ziel der Liebe ist!
As a teenager, I was curious about love and sexuality.


Da soll man tausend Meter rennen, frischfrommfröhlich sein Die Fenster öffnen, Füße waschen und sich selbst kastei'n Und löst doch kein Problem in der Nacht Wenn die Blume steht in voller Pracht!
But all the running and self-discipline in the world won't solve the problems that arise when passion comes knocking.


Ich nahm ein schlaues Buch und sieben Apfelsinen Und stieg hinauf mit meiner schönen Katharinen Zu Jakobs Erbe oben unterm Dach!
I climbed up to the attic with Katharinen, carrying a book and some fruit to share.


Da fielen wir der Länge nach Auf die alte rote Fahne Mit der Aufschrift «Solidarität» – Ich sage euch, wir war'n so heiß Als wie der Rote Hahn Der auf dem Dache kräht!
We tumbled onto the red flag with the word 'Solidarity,' and our passion was as intense as a fire on the roof.


Wir rannten Arm in Arm durch uns're aufgescheuchte Stadt Wo seither die KP auch Angst vor Anarachisten hat – Das Wasser war nass, der Knüppel so hart Doch Kathrin küsste süß und zart!
During a time of political upheaval and fear, Kathrin and I were united in our love, even if the world was a scary and violent place.


Da erinnerte ich wieder Des alten Jakobs pathetische Lieder Und auch die nackte Sprache, die er sprach Und ich holte oben unterm Dach Die alte rote Fahne Mit der Aufschrift «Solidarität» – Da schrien die braven Bürger gleich: "Das ist der rote Hahn Der auf dem Dache kräht!"
I thought of my grandfather's political beliefs and language, and I retrieved the old red flag with 'Solidarity' on it. This caused an uproar among the conservative citizens.


Ich dachte schon, ich werd' gehängt – Die war'n auf meine Fahne scharf! Das war'n die kleinen Bürger mit der Pfütze Kapital – Demokraten aus der Mitte» und schon ziemlich radikal! Ich hab' mit denen lieber nicht gerauft Sondern die Fahne glatt verkauft – Und da brannte die rote Fahne Mit der Aufschrift «Solidarität»!
I was afraid for my life when some small-minded citizens took issue with my flag. They were middle-class democrats with radical leanings, and I chose to sell the flag instead of fighting with them. Later, the flag was burned.


Jetzt aber, Genossen, werden wir mal Nicht sentimental Sondern lernen wir vor allen Dingen Die Dialektik dieser schlauen Tat Die uns nämlich mit dreißig Silberlingen Sechs neue Fahnen eingebracht hat! Die erste für das «Wilhelm–Reich–Institut» Die zweite für das «Walter–Benjamin–Institut» Die dritte für das «Spartakus–Seminar» Die vierte für das Auslandsamt in meiner eig'nen Stadt Und die fünfte auf das Ordinarien–Rektorat! Aber die sechste, Genossen – verzeiht Wird Katharinens rotes Kleid Und sie trägt die rote Fahne Mit der Aufschrift «Solidarität» – Die steht ihr gut, die rote Fahne Mit der Aufschrift «Solidarität»!
Now, though, my comrades, let's not get sentimental. Let's focus on the dialectic of this clever action that has earned us thirty pieces of silver and six new flags. The first flag is for the Wilhelm Reich Institute, the second for the Walter Benjamin Institute, the third for the Spartacus Seminar, the fourth for the foreign office in my own city, and the fifth for the faculty rectorate. But the sixth flag, friends - forgive me - is for Katharine's red dress, with the word 'Solidarity' written on it. She wears it well.




Contributed by Samuel D. Suggest a correction in the comments below.
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