Unruhiges Requiem
Walter Mossmann Lyrics


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Ein Sonntag im tiefsten Frieden
Die Bäume sind grün
Die Erdbeern blüh'n
Die Nachbarin
Trägt schwer an ihrem Gebetbuch –
Es riecht nach Schweinebraten!

Ein Sonntag im tiefsten Frieden
Alles blitz und blank
Dem Herrgott sei Dank
Für Speis und Trank
Außerdem haben wir Fernseh'n –
Es riecht nach Schweinebraten!

Spoken:
Die Idylle ist sehr fett geraten. Ich will sie nicht madig machen.
Ich rede nicht vom Weltuntergang. Ich rede nicht vom Atompilz.
Ich rede vom Sonntag, dem ersten Mai 1983!

Gegen Mittag ruft mich die Christiane an.
Sie sagt: "Ich weiß nicht, ob du es schon weißt, aber sie haben den Tonio erschossen.
Es war im Norden von Nicaragua. Sie haben vierzehn Menschen gezwungen auszusteigen.
Dann haben sie alle vierzehn abgeknallt. Einer von den vierzehn war der Tonio!"
Was die Christiane am Telefon erzählt, ist eine Nachricht. Material für die Zeitung.
Was die Christiane erzählt, ist Kino. So eine Art Italowestern.
Da liegen vierzehn Leichen auf der Straße rum, aber ich will sie nicht anschau'n.
Meine Kamera schwenkt hinüber zu den bewaffneten Männern in den Tarnanzügen.
Ich wiederhole mir im Kopf, was ich von denen weiß:
Die Mörder kommen aus US-amerikanischen «Training Camps».
Aber das Wort meint keine Zeltlager, in denen Leichtathleten trainieren.
Das Wort meint Kasernen, in denen Menschen zu Killern abgerichtet werden.
Die Lehrmeister werden geschickt aus Washington. Die Mordwerkzeuge werden bezahlt aus Washington.
In Washington nennt man die Killer «Freiheitskämpfer».

Ich habe mich daran gewöhnt, das alles zu wissen.
Aber jetzt sagt die Christiane, sie hätten den Tonio angeknallt.
Da ist ein Italowestern, der spielt in Nicaragua. Und da bin ich.
An einem anderen Ende der Welt!


Ein Sonntag im tiefsten Frieden
Die Kirche ist aus
Das Gotteshaus
Sieht kostbar aus
Die Kostbarkeit hat was gekostet –
Es riecht nach Schweinebraten!

Ein Sonntag im tiefsten Frieden
Die Menschlichkeit
Trägt ihr Sonntagskleid
Es tut uns leid
Dass anderswo Menschen verhungern –
Es riecht nach Schweinebraten!

Spoken:
Der Nachrichtensprecher im Radio sagt es jetzt auch: "Der deutsche Arzt Albrecht Pflaum in Nicaragua ermordet!".
Ich kannte diesen Namen nicht. Ich kannte bloß den Namen Tonio.
Ich krame in meinem Gedächtnis nach Erinnerungsfotos.
Ich seh' ihn mit der Christiane in der Wohngemeinschaftsküche Terlanerstraße.
Ich seh' ihn mit den Latinos auf einer Chile-Demonstration zwischen Martinstor und Amerikahaus.
Und ich seh' ihn mit dem Reinauer Sepp auf dem besetzten Platz im Wyhler Wald.

Und ich sehe die Gesichter der anderen, die jetzt in Nicaragua sind: Pedro und Marilyn aus Argentinien, die Schimmel aus dem Töpferladen hinterm «Jos Fritz», den Nico aus Managua.
Am liebsten würde ich jetzt die Zeit zehn Jahre zurückdrehen und Samba tanzen gegen die viereckige Musik aus dem Radio. Und Olivenöl und Knoblauch und Chili und Lourdinha mit Zimt und Nelken und diese lateinamerikanischen Lieder, an denen wir uns damals alle besoffen haben.
Mir fällt auf, dass diese Lieder heute auch schon graue Haare haben.


Yo pregunto a los presentes
Si no se han puesto a pensar
Que esta tierra es de nosotros
Y no del que tenga más
A desalambrar, a desalambrar!
Que la tierra es nuestra, es tuya y de aquél
De Pedro y María, de Juan y José
De Pedro y María, de Juan y José!

Spoken:
Alle meine Erinnerungsfotos gehen nicht zusammen mit dem Film, den mir die Christiane am Telefon erzählt hat:
"Es war im Norden von Nicaragua. Sie haben einen Bus angehalten. Sie haben vierzehn Menschen gezwungen, auszusteigen. Dann haben sie alle vierzehn abgeknallt. Einer von den vierzehn war der Tonio!"

Mein Blick weigert sich, die Leichen anzuschau'n. Mein Blick weicht aus zu den Mördern.
Wenn ich ihre Spur zurückverfolge, komme ich im Fernseh'n an.
Dort seh ich den Hauptdarsteller des Freien Westens, den Kmödianten mit der Dallas-Fresse.
Daneben steht einer, der Hauptdarsteller in Bonn, der macht einen Bückling und sagt:
"Wir stehen, wo wir stehen müssen. Auf der Seite der Freiheit. Auf der Seite unserer Freunde!"
Er sagt nicht: "Wir stehen auf der Seite der Killer!", das sagt er nicht.
Ich weiß, dass es so ist. Aber die Bilder passen nicht zusammen.
Dieser schmierig grinsende deutsche Biedermann hat keine Blutflecken an der Manschette!


Ein Sonntag im tiefsten Frieden
Das Blech rollt zurück
Aus dem Weekend-Glück
Das Blut wird dick
Das Blut wird dick, das im Stau steht –
Es riecht nach Schweinebraten!

Ein Sonntag im tiefsten Frieden
Ein Blechschaden kracht
Ein Lachsack lacht
Das Fernsehn macht
Gelungene Unterhaltung –
Es riecht nach Schweinebraten!

Spoken:
Eine Stunde vor Mitternacht ist das Amerikahaus demoliert.
Hastig hingesprühte Parolen auf zertrümmerte Glasscheiben.
Und die paar Steine, die geflogen sind, machen keinen großen Lärm.
In Washington ist jetzt Nachmittag, dort hört das sowieso kein Mensch.
An der Mauer des Gerichtsgebäudes steht der Namen «Tonio».
Morgen wird er vielleicht schon übertüncht. Übermorgen schreibt jemand was anderes drüber.

Laut Poizeibericht um «Dreiundzwanzig-Null-Sechs Uhr» sind mein Freund und ich umringt von aufgeregten jungen Männern in grünen Uniformen. Sie sehen aus wie Pfadfinder beim Stadtgeländespiel. Das macht ihr kindisches Jagdfieber.
Ich kann ihre Finger an meinem Ärmel nicht leiden. Ich sei festgenommen wegen «Sachbeschädigung».
Ich sage: "Das ist nicht wahr. Ich habe keine Sache beschädigt!"
Dann eben wegen «Billigung einer Sachbeschädigung in Tateinheit», sagt ein anderer.
Mein Gott, was haben die für Wörter gelernt!
Ich schau den Pfadfindern in die Gesichter. Ich suche Züge von Neugier.
Ich frage mich, ob diese Jungs auch längere Spuren lesen können.
Zum Beispiel die Spur, die von dem Mord in Nicaragua nach Washington und von dort nach Bonn führt.
Sowas hieße dann doch in ihrem Jargon «Billigung eines Mordes in Tateinheit».

Nein, diese da suchen keine Spuren. Sie führen Befehle aus. Sie haben Angst im Freien.
Auf der Straße fühlen sie sich ständig bedroht, das ist gefährlich für uns, denn sie tragen Schusswaffen.
Die Hintertüren des Streifenwagen haben Kindersicherungen. Man kann sie von innen nicht öffnen.
Ich dreh den Kopf und schau zum Heckfenster hinaus. Das Nachtleben der Stadt interessiert sich nicht für uns.
Warum auch?


Ein Sonntag im tiefsten Frieden
Ein Dealer dealt
Ein Schläger brüllt
Ein Säufer fühlt
Er kommt nicht mehr auf die Beine –
Es riecht nach Schweinebraten!

Ein Sonntag im tiefsten Frieden
Eine Knarre zielt
Ein Killer killt
Das Kino spielt
«Spiel mir das Lied vom Tod» –
Es riecht nach Schweinebraten!

Spoken:
Auf dem Polizeirevier nehmen sie mir meine bewegliche Habe ab, auch den Gürtel, auch das Halstuch.
Vor der Zelle dann der Befehl: "Jetzt ziehen Sie auch die Schuhe aus!".
Ich sehe, ich bin in ihrer Gewalt. Die Klotür ist ausgehängt.
Zwei bewaffnete Männer schauen mir beim Pissen zu. Das ist ihre Arbeit.

Die Einzelzelle ist ein kahler Kellerraum, drei Meter hoch, vierfünfzig lang, einsachzig schmal.
Kein Fenster. Außer der Liege ist nichts drin, gar nichts.
Die Stahltür hat keine Klinke und kein Schlüsselloch.
Sie ist eigentlich gar keine Tür, bloß eine glatte graue Fläche.
Man schließe mich ein, um mich vor mir selbst in dieser Nacht zu schützen, sagt der Schließer und grinst.
Bei den Nazis hieß das Schutzhaft. Heute heißt das Vorbeugehaft.
Und zwar wegen «Verdacht auf Billigung einer Sachbeschädigung in Tateinheit», weil nämlich jemand den Namen TONIO an eine Mauer gesprüht hat. Eigentlich alles unsäglich lachhaft.

Ich mache, was ich in dieser Lage machen kann, ich geh fünf Schritte hin, fünf Schritte her und sage mir:
"Was du hier erlebst, ist unbedeutend, verglichen mit dem, was der Freie Westen jeden Tag und jede Nacht mit Menschen anstellt, die er in seine Gewalt gekriegt hat, in Berlin Tegel oder in Hamburg Fuhlsbüttel oder in Köln Ossendorf oder in Stuttgart Stammheim oder erst recht dort drüben in den Vorgärten und Hinterhöfen der USA, wo ein Menschenleben weniger Wert hat als der Mercedes-Stern auf dem Wagen des deutschen Botschafters!"

Ich sage mir: "Wenn Hugo Riveros in seiner chilenischen Zelle Geräusche an der Tür gehört hat, dann wusste er, jetzt kommen Elektrotechniker, um mich zu foltern!"
Ich sage mir: "Die Kinder aus den Slums um Santiago de Chile stecken ihre Gesichter in Plastiktüten und atmen die giftigen Dämpfe von Klebstoff ein, um ihren Hunger zu betäuben. Aber die Herrenmenschen zwischen Dallas und Düsseldorf haben mit all dem nichts zu tun. Sie waschen ihre Hände.
Sie bräunen ihre Haut. Sie essen mit Messer und Gabel. Zehn Jahre lang gefiel ihnen das Investitionsklima in Chile.
Sie leiten Maßnahmen ein, um das Investitionsklima in Nicaragua zu verbessern.
Eine dieser Maßnahmen war der Mord an Tonio und dreizehn anderen Menschen, von denen ich nichts weiß.
Das geht so weiter Tag für Tag. Woher das kommt, weiß ich. Wohin das führt, weiß ich auch. Aber wann hört das auf?
Schlecht eingerichtet im Pariser Exil stellt die Stimme Lateinamerikas beharrlich die alten Fragen, die bei uns aus der Mode gekommen sind.


Ich frage die Anwesenden:
"Ist euch der Gedanke so fremd
Dass diese Welt uns allen gehört,
Und nicht nur denen, die das Geld haben?"

Yo pregunto a los presentes
Si no se han puesto a pensar
Que esta tierra es de nosotros
Y no del que tenga más!

Ich frage die Anwesenden:
"Ist euch der Gedanke so fremd
Dass uns das gehört
Was unsere Hände schaffen?

Yo pregunto si en la tierra
Nunca habrá pensado usted
Que si las manos son nuestras
Es nuestro lo que nos den!

Reißt die Zäune ein!
Reißt die Mauern nieder!
Reißt Schloß und Riegel ab!
Die Erde gehört uns allen –
Dir und dir und Pedro und Maria
Und Juan und José!

A desalambrar!
A desalambrar!
Que la tierra es nuestra –
Es tuya y de aquél
De Pedro y María
De Juan y José!




De Pedro y María
De Juan y José!

Overall Meaning

The lyrics of Walter Mossmann's song "Unruhiges Requiem" describe a Sunday in deepest peace, where everything seems to be perfect, yet the singer hears the news about the murder of his friend Tonio in Nicaragua. The song is structured in stanzas that explore the contradictions between the idyllic surroundings of a peaceful Sunday in Germany and the violent reality of dictatorships, oppression, and imperialism in other countries. Mossmann denounces the US government's involvement in training and sponsoring death squads and calls for the need to break boundaries, to tear down walls, and to reclaim the land that belongs to everyone. The song ends with Mossmann asking the audience if they have ever thought that the world belongs to all of us, not only to those who have money and power.


"Unruhiges Requiem" was released in 1986 and became a protest anthem against the involvement of the US government in supporting dictators, training paramilitary squads, and executing coups d'état in Central and South America. Mossmann was a German singer and songwriter who supported several left-wing causes and movements in the 1970s and 1980s.


Line by Line Meaning

Ein Sonntag im tiefsten Frieden
A peaceful Sunday


Die Bäume sind grün
The trees are green


Die Erdbeern blüh'n
The strawberries are blooming


Die Nachbarin
The neighbor


Trägt schwer an ihrem Gebetbuch –
Carries heavily her prayer book


Es riecht nach Schweinebraten!
It smells like roast pork!


Alles blitz und blank
Everything is clean and shiny


Dem Herrgott sei Dank
Thank God


Für Speis und Trank
For food and drink


Außerdem haben wir Fernseh'n –
Besides, we have television


Es riecht nach Schweinebraten!
It smells like roast pork!


Die Idylle ist sehr fett geraten. Ich will sie nicht madig machen.
The idyll turned out very fat. I don't want to spoil it.


Ich rede nicht vom Weltuntergang. Ich rede nicht vom Atompilz.
I'm not talking about the end of the world. I'm not talking about the atomic mushroom.


Ich rede vom Sonntag, dem ersten Mai 1983!
I'm talking about Sunday, May 1, 1983!


Gegen Mittag ruft mich die Christiane an.
Around noon, Christiane calls me.


Sie sagt: "Ich weiß nicht, ob du es schon weißt, aber sie haben den Tonio erschossen.
She says: "I don't know if you already know, but they shot Tonio.


Es war im Norden von Nicaragua. Sie haben vierzehn Menschen gezwungen auszusteigen.
It was in the north of Nicaragua. They forced fourteen people to get off.


Dann haben sie alle vierzehn abgeknallt. Einer von den vierzehn war der Tonio!"
Then they shot all fourteen. One of the fourteen was Tonio!"


Was die Christiane am Telefon erzählt, ist eine Nachricht. Material für die Zeitung.
What Christiane tells me on the phone is news. Material for the newspaper.


Was die Christiane erzählt, ist Kino. So eine Art Italowestern.
What Christiane tells is cinema. Like an Italowestern.


Da liegen vierzehn Leichen auf der Straße rum, aber ich will sie nicht anschau'n.
There are fourteen corpses lying on the street, but I don't want to look at them.


Meine Kamera schwenkt hinüber zu den bewaffneten Männern in den Tarnanzügen.
My camera pans over to the armed men in camouflage suits.


Ich wiederhole mir im Kopf, was ich von denen weiß:
I repeat in my mind what I know about them:


Die Mörder kommen aus US-amerikanischen «Training Camps».
The murderers come from US American training camps.


Aber das Wort meint keine Zeltlager, in denen Leichtathleten trainieren.
But the word doesn't mean camps where athletes train.


Das Wort meint Kasernen, in denen Menschen zu Killern abgerichtet werden.
The word means barracks where people are trained to become killers.


Die Lehrmeister werden geschickt aus Washington. Die Mordwerkzeuge werden bezahlt aus Washington.
The instructors are sent from Washington. The murder tools are paid for from Washington.


In Washington nennt man die Killer «Freiheitskämpfer».
In Washington, they call the killers "freedom fighters".


Ich habe mich daran gewöhnt, das alles zu wissen.
I have become accustomed to knowing all this.


Aber jetzt sagt die Christiane, sie hätten den Tonio angeknallt.
But now Christiane says they shot Tonio.


Da ist ein Italowestern, der spielt in Nicaragua. Und da bin ich.
There is an Italowestern playing in Nicaragua. And there I am.


An einem anderen Ende der Welt!
At the other end of the world!


Die Kirche ist aus
The church is over


Das Gotteshaus
The house of God


Sieht kostbar aus
Looks precious


Die Kostbarkeit hat was gekostet –
The preciousness has cost something


Es riecht nach Schweinebraten!
It smells like roast pork!


Die Menschlichkeit
Humanity


Trägt ihr Sonntagskleid
Wears its Sunday dress


Es tut uns leid
We are sorry


Dass anderswo Menschen verhungern –
That people are starving elsewhere -


Es riecht nach Schweinebraten!
It smells like roast pork!


Der Nachrichtensprecher im Radio sagt es jetzt auch: "Der deutsche Arzt Albrecht Pflaum in Nicaragua ermordet!".
The news presenter on the radio is now saying: "German doctor Albrecht Pflaum murdered in Nicaragua!"


Ich kannte diesen Namen nicht. Ich kannte bloß den Namen Tonio.
I didn't know this name. I only knew the name Tonio.


Ich krame in meinem Gedächtnis nach Erinnerungsfotos.
I dig into my memory for snapshots.


Ich seh' ihn mit der Christiane in der Wohngemeinschaftsküche Terlanerstraße.
I see him with Christiane in the communal kitchen on Terlanerstraße.


Ich seh' ihn mit den Latinos auf einer Chile-Demonstration zwischen Martinstor und Amerikahaus.
I see him with the Latinos at a Chile demonstration between Martinstor and Amerikahaus.


Und ich seh' ihn mit dem Reinauer Sepp auf dem besetzten Platz im Wyhler Wald.
And I see him with Reinauer Sepp on the occupied square in Wyhler Wald.


Und ich sehe die Gesichter der anderen, die jetzt in Nicaragua sind: Pedro und Marilyn aus Argentinien, die Schimmel aus dem Töpferladen hinterm «Jos Fritz», den Nico aus Managua.
And I see the faces of the others who are now in Nicaragua: Pedro and Marilyn from Argentina, the Schimmel from the pottery shop behind "Jos Fritz", Nico from Managua.


Am liebsten würde ich jetzt die Zeit zehn Jahre zurückdrehen und Samba tanzen gegen die viereckige Musik aus dem Radio.
I would like to turn back time ten years now and dance samba against the square music from the radio.


Und Olivenöl und Knoblauch und Chili und Lourdinha mit Zimt und Nelken und diese lateinamerikanischen Lieder, an denen wir uns damals alle besoffen haben.
And olive oil and garlic and chili and Lourdinha with cinnamon and cloves and those Latin American songs we all got drunk on back then.


Mir fällt auf, dass diese Lieder heute auch schon graue Haare haben.
I notice that these songs already have gray hair today.


Yo pregunto a los presentes
I ask those present


Si no se han puesto a pensar
If they haven't thought about it


Que esta tierra es de nosotros
That this land is ours


Y no del que tenga más
And not the one who has more


A desalambrar, a desalambrar!
Tear down the fences, tear down the walls!


Que la tierra es nuestra, es tuya y de aquél
That the land is ours, yours and that person's


De Pedro y María, de Juan y José
Of Pedro and María, of Juan and José


Die Kirche ist aus
The church is over


Das Blech rollt zurück
The tin rolls back


Aus dem Weekend-Glück
From the weekend happiness


Das Blut wird dick
The blood thickens


Das Blut wird dick, das im Stau steht –
The blood thickens, stuck in traffic


Es riecht nach Schweinebraten!
It smells like roast pork!


Ein Blechschaden kracht
A fender bender crashes


Ein Lachsack lacht
A jerk laughs


Das Fernsehn macht
The television provides


Gelungene Unterhaltung –
Successful entertainment -


Es riecht nach Schweinebraten!
It smells like roast pork!


Eine Stunde vor Mitternacht ist das Amerikahaus demoliert.
An hour before midnight, the Amerikahaus is demolished.


Hastig hingesprühte Parolen auf zertrümmerte Glasscheiben.
Hastily sprayed slogans on shattered glass windows.


Und die paar Steine, die geflogen sind, machen keinen großen Lärm.
And the few stones that were thrown make no big noise.


In Washington ist jetzt Nachmittag, dort hört das sowieso kein Mensch.
It is afternoon in Washington, nobody listens there anyway.


An der Mauer des Gerichtsgebäudes steht der Namen «Tonio».
On the wall of the courthouse, the name "Tonio" stands.


Morgen wird er vielleicht schon übertüncht. Übermorgen schreibt jemand was anderes drüber.
Tomorrow it might already be painted over. The day after tomorrow someone else will write about it.


Laut Poizeibericht um «Dreiundzwanzig-Null-Sechs Uhr» sind mein Freund und ich umringt von aufgeregten jungen Männern in grünen Uniformen.
According to the police report at "twenty-three-o-six hours", my friend and I are surrounded by excited young men in green uniforms.


Sie sehen aus wie Pfadfinder beim Stadtgeländespiel. Das macht ihr kindisches Jagdfieber.
They look like scouts playing in the city. That's their childish hunting fever.


Ich kann ihre Finger an meinem Ärmel nicht leiden. Ich sei festgenommen wegen «Sachbeschädigung».
I don't like their fingers on my sleeve. I am arrested for "property damage".


Ich sage: "Das ist nicht wahr. Ich habe keine Sache beschädigt!"
I say: "That's not true. I haven't damaged anything!"


Dann eben wegen «Billigung einer Sachbeschädigung in Tateinheit», sagt ein anderer.
Then it's because of "approval of property damage in conjunction", says another.


Mein Gott, was haben die für Wörter gelernt!
My God, what words they have learned!


Ich schau den Pfadfindern in die Gesichter. Ich suche Züge von Neugier.
I look into the faces of the scouts. I look for signs of curiosity.


Ich frage mich, ob diese Jungs auch längere Spuren lesen können.
I wonder if these guys can also read longer trails.


Zum Beispiel die Spur, die von dem Mord in Nicaragua nach Washington und von dort nach Bonn führt.
For example, the trail that leads from the murder in Nicaragua to Washington and from there to Bonn.


Sowas hieße dann doch in ihrem Jargon «Billigung eines Mordes in Tateinheit».
Something like that would be called in their jargon "approval of a murder in conjunction".


Nein, diese da suchen keine Spuren. Sie führen Befehle aus. Sie haben Angst im Freien.
No, these guys don't look for trails. They follow orders. They are afraid outside.


Auf der Straße fühlen sie sich ständig bedroht, das ist gefährlich für uns, denn sie tragen Schusswaffen.
They constantly feel threatened on the streets, which is dangerous for us because they carry firearms.


Die Hintertüren des Streifenwagen haben Kindersicherungen. Man kann sie von innen nicht öffnen.
The back doors of the patrol car have child locks. You can't open them from the inside.


Ich dreh den Kopf und schau zum Heckfenster hinaus. Das Nachtleben der Stadt interessiert sich nicht für uns.
I turn my head and look out the back window. The nightlife of the city is not interested in us.


Warum auch?
Why would it?


Ein Dealer dealt
A dealer deals


Ein Schläger brüllt
A thug yells


Ein Säufer fühlt
A drunk feels


Er kommt nicht mehr auf die Beine –
He can't stand up anymore -


Es riecht nach Schweinebraten!
It smells like roast pork!


Ein Blechschaden kracht
A fender bender crashes


Ein Lachsack lacht
A jerk laughs


Das Fernsehn macht
The television provides


«Spiel mir das Lied vom Tod» –
"Play me the song of death" -


Es riecht nach Schweinebraten!
It smells like roast pork!


Auf dem Polizeirevier nehmen sie mir meine bewegliche Habe ab, auch den Gürtel, auch das Halstuch.
At the police station they take away my movable property, including the belt and the scarf.


Vor der Zelle dann der Befehl: "Jetzt ziehen Sie auch die Schuhe aus!".
In front of the cell, the order: "Now take off your shoes too!".


Ich sehe, ich bin in ihrer Gewalt. Die Klotür ist ausgehängt.
I see that I am at their mercy. The toilet door is unhinged.


Zwei bewaffnete Männer schauen mir beim Pissen zu. Das ist ihre Arbeit.
Two armed men watch me pee. That's their job.


Die Einzelzelle ist ein kahler Kellerraum, drei Meter hoch, vierfünfzig lang, einsachzig schmal.
The single cell is a bare basement room, three meters high, four fifty long, one eighty wide.


Kein Fenster. Außer der Liege ist nichts drin, gar nichts.
No window. Besides the bed, there is nothing in it, nothing at all.


Die Stahltür hat keine Klinke und kein Schlüsselloch.
The steel door has no handle and no keyhole.


Sie ist eigentlich gar keine Tür, bloß eine glatte graue Fläche.
It's not really a door, just a smooth gray surface.


Man schließe mich ein, um mich vor mir selbst in dieser Nacht zu schützen, sagt der Schließer und grinst.
They lock me up to protect me from myself tonight, says the guard with a grin.


Bei den Nazis hieß das Schutzhaft. Heute heißt das Vorbeugehaft.
With the Nazis, it was called protective custody. Today it's called preventive detention.


Und zwar wegen «Verdacht auf Billigung einer Sachbeschädigung in Tateinheit», weil nämlich jemand den Namen TONIO an eine Mauer gesprüht hat. Eigentlich alles unsäglich lachhaft.
And that's because of "suspicion of approval of property damage in conjunction", because someone sprayed the name TONIO on a wall. Actually, all incredibly ridiculous.


Ich mache, was ich in dieser Lage machen kann, ich geh fünf Schritte hin, fünf Schritte her und sage mir:
I do what I can in this situation, I take five steps forward, five steps back and tell myself:


"Was du hier erlebst, ist unbedeutend, verglichen mit dem, was der Freie Westen jeden Tag und jede Nacht mit Menschen anstellt, die er in seine Gewalt gekriegt hat, in Berlin Tegel oder in Hamburg Fuhlsbüttel oder in Köln Ossendorf oder in Stuttgart Stammheim oder erst recht dort drüben in den Vorgärten und Hinterhöfen der USA, wo ein Menschenleben weniger Wert hat als der Mercedes-Stern auf dem Wagen des deutschen Botschafters!"
"What you're experiencing here is insignificant compared to what the Free West does to people it has in its power every day and night, in Berlin Tegel or in Hamburg Fuhlsbüttel or in Cologne Ossendorf or in Stuttgart Stammheim or especially over there in the front yards and backyards of the USA, where a human life is worth less than the Mercedes star on the car of the German ambassador!"


Ich sage mir: "Wenn Hugo Riveros in seiner chilenischen Zelle Geräusche an der Tür gehört hat, dann wusste er, jetzt kommen Elektrotechniker, um mich zu foltern!"
I tell myself: "If Hugo Riveros heard noises at his Chilean cell door, he knew that electricians were coming to torture me!"


Ich sage mir: "Die Kinder aus den Slums um Santiago de Chile stecken ihre Gesichter in Plastiktüten und atmen die giftigen Dämpfe von Klebstoff ein, um ihren Hunger zu betäuben.
I tell myself: "The children from the slums around Santiago de Chile put their faces in plastic bags and breathe in the toxic fumes of glue to numb their hunger.


Aber die Herrenmenschen zwischen Dallas und Düsseldorf haben mit all dem nichts zu tun. Sie waschen ihre Hände.
But the master race between Dallas and Düsseldorf has nothing to do with all of this. They wash their hands.


Sie bräunen ihre Haut. Sie essen mit Messer und Gabel. Zehn Jahre lang gefiel ihnen das Investitionsklima in Chile.
They tan their skin. They eat with knife and fork. For ten years, they liked the investment climate in Chile.


Sie leiten Maßnahmen ein, um das Investitionsklima in Nicaragua zu verbessern.
They initiate measures to improve the investment climate in Nicaragua.


Eine dieser Maßnahmen war der Mord an Tonio und dreizehn anderen Menschen, von denen ich nichts weiß.
One of these measures was the murder of Tonio and thirteen other people, of whom I know nothing.


Das geht so weiter Tag für Tag. Woher das kommt, weiß ich. Wohin das führt, weiß ich auch. Aber wann hört das auf?
This goes on day after day. I know where it comes from. I also know where it leads. But when does it stop?


Schlecht eingerichtet im Pariser Exil stellt die Stimme Lateinamerikas beharrlich die alten Fragen, die bei uns aus der Mode gekommen sind.
Badly established in Paris exile, the voice of Latin America persistently asks the old questions that have gone out of fashion with us.


Ich frage die Anwesenden:
I ask those present:


"Ist euch der Gedanke so fremd
"Is the thought so foreign to you


Dass diese Welt uns allen gehört,
That this world belongs to all of us,


Und nicht nur denen, die das Geld haben?"
And not just to those who have the money?"


Yo pregunto a los presentes
I ask those present


Si no se han puesto a pensar
If they haven't thought about it


Que esta tierra es de nosotros
That this land is ours


Y no del que tenga más!
And not the one who has more!


A desalambrar, a desalambrar!
Tear down the fences, tear down the walls!


Que la tierra es nuestra –
That the land is ours -


Es tuya y de aquél
It's yours and that person's


De Pedro y María
Of Pedro and María


De Juan y José!
Of Juan and José!


Reißt die Zäune ein!
Tear down the fences!


Reißt die Mauern nieder!
Tear down the walls!


Reißt Schloß und Riegel ab!
Remove lock and bolt!


Die Erde gehört uns allen –
The earth belongs to all of us -


Dir und dir und Pedro und Maria
To you and you and Pedro and Maria


Und Juan und José!
And Juan and José!


De Pedro y María
Of Pedro and María


De Juan y José!
Of Juan and José!




Contributed by Kaelyn R. Suggest a correction in the comments below.
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